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Sinn, Auftrag, Mission am Beispiel des alttestamentlichen Gottesvolks und des heutigen Israel

 Für jedes einzelne Leben und jede Gemeinschaft stellt sich die Frage nach dem Sinn.  In besonderer Weise hat sie sich dem alttestamentlichen Gottesvolk und dem heutigen Israel gestellt. Lange war es der Versuch, dem Auftrag seines Gottes zu folgen, der ihm das gelobte Land verheißen hat und in der babylonischen Gefangenschaft die Rückkehr als Ziel gesetzt hat. Im christlichen Verständnis wurde aus diesem Auftrag die Mission: Gehet hin in alle Welt.  Die Mutterländer der europäischen Kolonisation sind ihrerseits einer Mission gefolgt: Ausbreitung der europäischen Zivilisation und des Christentums und später Ausbreitung der Ideen der europäischen Aufklärung.  Bei dieser Mission haben die christlichen Missionare gewiss eine bessere Rolle gespielt als die Kolonisatoren. Gegenwärtig haben diese sich freilich aus gutem Grund von patriarchalischer "Entwicklungshilfe" mehr und mehr zurückgenommen auf Hilfe zur Selbsthilfe. Statt Hilfe für die "Dritte Welt", Kooperation mit

Chinesische Geisteswelt: Konfuzius, Lao-Tse und Zhuangzi

Mir liegt das Werk "Chinesische Geisteswelt. Zeugnisse aus drei Jahrtausenden" von Günther Debon in einer Druckfassung von 2009 vor. Die beigegebene Auswahlbibliographie lässt darauf schließen, dass der Druck die Erstfassung von 1957 wiedergibt. Dementsprechend wird in dem Werk nur der Wissensstand con 1957 wiedergegeben.  Meine Notizen zum Inhalt beziehen sich auf diesen Kenntnisstand. Ich verlinke aber bewusst immer wieder Wikipediaartikel mit dem aktuellen Wissensstand. Für mein vereinfachtes Verständnis reicht der Stand von 1957 aus. Wer es genauer wissen will, recherchiere aktuelleres Material.  Wer sich vom Namen der antikonfuzianischen Streitschrift Tao-Te-King  des Lao-Tse täuschen lässt, verkennt, dass Tao / Taiji (Gesetz/Weg) und Te (Tugend/Kraft) die beiden Zentralbegriffe der Schriften des Konfuzius sind.  Zu beachten ist dabei, dass Tao und Te bei Lao-Tse (Laozi) eine etwas andere Bedeutung haben als bei Konfuzius und dass das Lob des Wu wei  (Nicht-Handeln, d

Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang

 Jakob Böhme ( Wikipedia ) "[...]  Die Philosophie von Böhme wird vereinfachend oft als  Pantheismus  betitelt, obwohl er diese Anschuldigung vehement zurückwies und sich selbst nicht als Pantheisten begriff. [7]  Seine  Weltanschauung  entspricht den frühbürgerlichen Auffassungen. Böhme wurde von den Wirren der Zeit geprägt, so von den Nachwirkungen der  Reformation  und des  Bauernkriegs , der Erstarrung des  Protestantismus  und der  Gegenreformation , die seit den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts an Boden gewann, und dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Im engeren Sinn war es der in  Riten  und Dogmen verharrende Protestantismus, der weite Bereiche des geistigen und praktischen Lebens in Deutschland bestimmte, gegen welchen sich Böhmes Lehre richtete. [...]" Aurora oder Morgenröte im Aufgang  (Wikipedia) [...]  Die außerordentliche Wirkung der  Aurora  auf  Leibniz , später auf  Goethe  und auf den  Deutschen Idealismus  und dessen romantisches Umfeld, also Novalis, 

Fulbert Steffensky

  Fulbert Steffensky in: Der Klerikerstreit . Die Auseinandersetzung um Eugen Drewermann   1990, S.33-37 "(...] In einem Seminar haben wir einmal den Zusammenhang von Tradition und Identität behandelt. Die Teilnehmer des Seminars kam überwiegend aus der Großstadt und kannten traditional vorgeformte Situationen kaum. Durch einen Zufall waren einige Studierende dabei, die früher zu Freikirchen gehörten, diese aber verlassen hatten. Sie kämpften gegen ihre eigene Vergangenheit und beklagten sich über die Restriktionen, die sie dort erleiden mussten. Eine Hamburger Studentin sagte schließlich zu ihnen: "Ihr habt es gut. Ihr könnt wenigstens von etwas weggehen!." (S. 34) "Zu Recht wendet er [Drewermann] sich gegen eine überall sich ausbreitende Selbstvergessenheit und Selbstbesetztheit der Subjekte, welche die alte Entfremdung in Systemen ablöst und Menschen zu Gefangenen ihrer eigenen Herzen macht. Zu Recht spricht er gegen eine psychologistische Selbstprovinzialisieru

Petrus Abaelardus Aufklärer, Liebhaber und Opfer

  Peter Abailard   "[...] Abaelard vertrat viele Jahrhunderte vor der  Aufklärung  den Vorrang der  Vernunft  nicht nur in der  Philosophie , sondern auch in  Glaubensfragen . Durch diese und andere kontroverse Lehren, aber auch wegen der Liebesaffäre mit seiner Schülerin  Heloisa  geriet er in zahlreiche Konflikte. Neben deren umfangreichem Briefwechsel sind seine theologischen Dispute unter anderem mit  Bernhard von Clairvaux  interessant. [...] . Im Jahr 1113 studierte Abaelard  Theologie  bei  Anselm von Laon , den er bald ebenso herausforderte und mit eigenen Vorlesungen an Beliebtheit übertraf. Anselm untersagte ihm die weitere Lehre, 1114 konnte Abaelard jedoch in Paris Logik und Theologie unterrichten. Dort wurde er Hauslehrer von  Heloisa , einer begabten jungen Frau, zu der er bald eine Liebesbeziehung aufbaute. Ihr Onkel und Beschützer, der  Kanoniker   Fulbert , bemerkte die Beziehung erst, als Heloisa bereits schwanger war. Sie flüchtete auf Geheiß Abaelards zu dessen

Universum ohne Moral

  Von   Zhao Tingyang , ZEIT, 1 2. Juli 2023 [...]  Die Moderne ist sicherlich eine große Errungenschaft, doch könnte sie mit der Überheblichkeit des Individuums zerstört werden, wenn dieses das Recht auf die Definition seiner eigenen Identität beansprucht oder jeden Tag als ein anderes Geschlecht anerkannt werden möchte. So verführerisch dies klingt, wird eine Begleiterscheinung davon unvermeidlich in einem Bedeutungsverlust von allem bestehen. Am Ende würde sich der maßlose Individualismus des Westens in sein Gegenteil verkehren und Aufklärung in Gegenaufklärung umschlagen, wenn jeder Begriff, jeder Wert und jede Identität so mehrdeutig werden, dass sie nichts mehr bedeuten und sich in Luft auflösen. Wir stecken heute in einer tiefen Kulturkrise. Wir sind orientierungslos. Diese Krise  zeugt von der Unfähigkeit, dass wir trotz unserer angeblichen Aufgeklärtheit nicht  in der Lage sind, die Grundbegriffe oder Werte unseres Lebens und unserer Kultur  zu verteidigen. Und deshalb können

Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter von Dipesh Chakrabarty

Auszug aus einer Leseprobe  "[...]  Laut Haffs Argumentation ist die Menschenpopulation in ihrem  derzeitigen Umfang »zutiefst auf die Existenz der Technosphäre  angewiesen«, ohne die sie »schnell auf ihren steinzeitlichen Grundwert  von nicht mehr als zehn Millionen […] Personen zurückge hen würde«. Mit Haff könnte man also sagen, dass Technologie  zu einer Bedingung von Biologie, zur Bedingung für die Existenz einer so großen Zahl von Menschen auf dem Planeten geworden  ist. Haffs Annahme einer Technosphäre versetzt uns in die Lage  zu sehen, wie »entfesselt«, mit Carl Schmitt gesprochen, Technologie  heute geworden ist – und wie die Menschen dank technologischer  Macht die »Erde« bereits in ein Raumschiff für sich und  für andere Lebensformen verwandelt haben, deren eigene Existenz  auf das menschliche Gedeihen angewiesen ist. In seinem  »Gespräch über den neuen Raum« von 1955 legte Schmitt einem  fiktiven Charakter, Herrn Altmann (einem Althistoriker), eine  grundlegende Un