Poetik des Aristoteles

 Beeindruckt bin ich von dieser Schrift von der überaus empirischen Methode, wie wenig Aristoteles von seinem eigenen ästhetischen Empfinden ausgeht und wie sehr er Äußerlichkeiten zur Kategorisierung verwendet.

Außerdem bemerkenswert, wie viele Schriftsteller der Zeit er offenkundig vor Augen hat, von denen wir heute nur noch so gut wie gar nichts wissen. 

Wenn man von den aristotelischen drei Einheiten der Handlung, der Zeit und des Ortes beim Drama ausgeht, erscheinen sie ohne genauere Kenntnis ja wie eine nahezu willkürliche Norm, während sie eine empirisch vorgefundene Beschreibung sind.

"Über die Dichtkunst, diese selbst sowohl als ihre Arten und das Wesen einer jeden derselben, über den Bau der Fabeln, der für das Gelingen der Dichtung erforderlich ist, über die Zahl und Beschaffenheit ihrer Teile, desgleichen über alles andere, was in den Bereich derselben Untersuchung fällt, wollen wir handeln, und zwar beginnen wir naturgemäß mit dem ersten zuerst. 

Das Heldengedicht und das Trauerspiel, ferner das Lustspiel und die Dithyrambendichtung, nicht minder der größte Teil des Guitarre- und Flötenspieles sind insgesamt nachahmende Darstellungen, unterscheiden sich aber in drei Punkten: in den Darstellungsmitteln, den Darstellungsobjecten und der Darstellungsweise. Denn gleichwie man vielerlei Gegenstände durch Farben und Formen, teils kunstgerecht, teils routinegemäß, manche auch durch die Stimme nachbildet, so steht es hierin mit den gesamten Künsten also. Sie alle stellen durch Rhythmus, Rede und Tonsatz dar, zum Teil durch einzelne dieser Kunstmittel, zum Teil durch ihre Vereinigung. Tonsatz und Rhythmus allein verwendet das Guitarre- und Flötenspiel und wenn es noch irgend welche andere Künste von der Art giebt, wie das Spiel der Hirtenpfeife eine ist, Zweige der Musik nämlich, deren Betrieb Sache des ungeschulten Volkes ist. Durch bloßen Rhythmus ohne Tonsatz stellen die feineren unter den Tänzern etwas dar; denn auch sie bilden durch den Gebärden-Rhythmus Stimmungen, Affecte und Handlungen nach. Der bloßen prosaischen oder versificierten Rede, und im letzteren Falle einer Gattung oder eines Gemenges von Versmaßen, bedient sich eine Darstellungsart, die bisher einer ihr eigentümlichen Bezeichnung ermangelte. Denn es fehlt uns an einer gemeinsamen Benennung für die Mimen des Sophron und ' XENARCHOS und für die sokratischen Gespräche, gleich- wie für nachahmende Darstellungen, welche jemand in das Gewand jambischer Trimeter, des elegischen oder irgend eines anderen Versmaßes kleiden wollte Nur pflegen die Menschen an das Versmaß das Wort „dichten“ zu heften und die Einen Elegiendichter, die anderen hexametrische Dichter zu nennen, indem man ihnen nicht den Dichternamen auf Grund der nachahmenden Darstellung zuerkennt, sondern je nach dem Versmaß eine gemeinsame Bezeichnung erteilt. Denn auch wenn sie ein Thema der Heil- oder Naturkunde in Versen zum Ausdruck bringen, pflegt man sie so zu nennen; in Wahrheit hat aber Homer mit EMPEDOKLES nichts als das Versmaß gemein, weshalb man jenen einen Dichter, diesen aber nicht sowohl einen solchen als einen Naturforscher nennen sollte. Ebenso stünde es (d. h. ebenso ließe uns der herrschende Sprachgebrauch im Stich), wenn jemand alle Versmaße durcheinander mengen und in dieser Gestalt eine nachahmende Darstellung hervorbringen wollte, etwa wie CHÄREMON seinen „Kentauren“ gedichtet hat; und doch müßte man ihn einen Dichter nennen. So viel nun hierüber. Endlich aber giebt es Künste, die sich all der genannten Mittel, nämlich des Rhythmus, des Liedes und des Verses be- dienen, so einerseits die Dithyramben- und Nomendichtung, andererseits das Lust- und Trauerspiel, nur mit dem Unterschied, daß jene alle diese Elemente vereinigt, diese sie in partienweiser Abwechslung verwenden.

2. So unterscheiden sich nun die Künste in An- sehung ihrer Darstellungsmitte. Da jedoch die Darstellenden Handelnde darstellen, diese aber notwendig edel oder gemein sein müssen - sind doch dies die Grundformen, auf welche so ziemlich sämtliche Charakternüancen zurückgehen, da sich Alle durch Schlechtigkeit und Güte des Charakters von einander unterscheiden -, so werden jedesmal Personen dargestellt, die entweder über das Durchschnittsmaß hervorragen oder unter dieses herabsinken oder auch ihm entsprechen. [...]" (https://archive.org/details/aristotelespoet01berggoog/page/n28/mode/2up)

Dazu die Wikipedia:

Theorie der Dichtung

Mimêsis

Der zentrale Begriff der aristotelischen Theorie der Dichtung, die er in seiner zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Poetik (poiêtikê) ausarbeitet, ist die mimêsis, das heißt die „Nachahmung“ oder „Darstellung“. Neben der Dichtung im engeren Sinne (EpikTragödieKomödie und Dithyrambendichtung) zählen auch Teile der Musik und der Tanz für Aristoteles zu den mimetischen Künsten (Poet. 1, 1447a). Abbildende Künste wie Malerei und Plastik behandelt Aristoteles nicht weiter, sondern erwähnt nur, dass sie ebenfalls nach dem Prinzip der Nachahmung arbeiten (Poet. 1, 1447a19 f.). Gemeinsam ist allen mimetischen Künsten die zeitliche Sukzession. Insofern lässt sich mimêsis als ästhetisches Handeln auffassen.

In der Lust an der mimêsis sieht Aristoteles eine anthropologische, allen Menschen gemeinsame Grundgegebenheit. Denn die Freude an ihr sowie an ihren Produkten ist den Menschen angeboren, da sie gerne lernen (Poet. 4, 1448b5-15). Im Gegensatz zu den anderen mimetischen Künsten ist für die Dichtung die Verwendung von Sprache spezifisch. Alle Dichtung ist zudem Darstellung von Handlungen; allerdings nicht von tatsächlich Geschehenem, sondern von dem, „was geschehen könnte, das heißt das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche“ (Poet. 9, 1451a37 f.). Dargestellt werden Handlungen, die etwas über den Menschen im Allgemeinen aussagen, nicht über zufällige und beliebige Verhältnisse. Ziel ist nicht die Nachahmung von Menschen; nicht auf Figuren oder Charaktere, sondern auf Handlungen kommt es an; Erstere sind nur Mittel (Poet. 6, 1450a26–23).

Arten der Dichtung

Aristoteles klassifiziert vier Formen der existierenden Dichtung nach zwei Kriterien: (i) der Art der Darstellung von Handlung und (ii) der Art der dargestellten Figuren.

Darstellung

dramatische Darstellung

berichtende Darstellung

Darstellung von Besseren

Tragödie

Epos

Darstellung von Schlechteren

Komödie

Spottlied

Dramatische Darstellung ist dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Figur selbst die Handlung darstellt, berichtende dadurch, dass über die Handlung berichtet wird. Mit „besser“ und „schlechter“ sind die Figuren und ihre Handlungen gemeint. Bessere Figuren oder Charaktere sind etwas besser als wir selbst, schlechtere schlechter; beides aber nie so weit, dass wir uns nicht mehr mit ihnen identifizieren können (Poet. 5, 1449a31–1449b13). Aristoteles vertritt dabei die Hypothese, dass die Tragödie aus dem Epos und die Komödie aus dem Spottlied entstanden ist (Poet. 4, 1449a2–7).

Eine Untersuchung der Komödie kündigt Aristoteles an. Sie ist aber – wie auch eine des Spottliedes – nicht überliefert. Das Epos behandelt er recht kurz. Seine überlieferte Dichtungstheorie ist daher primär eine Tragödientheorie.

Tragödie

Der blinde Ödipus, der seine Kinder den Göttern anvertraut (1784) von Bénigne Gagneraux. In seiner Poetik verwendet Aristoteles die Tragödie Ödipus Tyrannos von Sophokles als Beispiel dafür, wie die perfekte Tragödie aufgebaut sein sollte, mit einem im Allgemeinen guten Protagonisten, der zu Beginn des Stücks wohlhabend ist, aber durch eine Hamartie (Fehler) alles verliert.

Aristoteles definiert die Tragödie als eine

Darstellung (mimêsis) [1] einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, [2] in anziehend geformter Sprache […], (Nachahmung) [3] von Handelnden und nicht durch Bericht, [4a] die Mitleid (eleos) und Furcht (phobos) hervorruft, und [4b] hierdurch eine Reinigung (katharsis) von derartigen Emotionen bewirkt.“

– Poet. 6, 1449b24–28

Dieser kurze Satz ist eine der meistdiskutierten Passagen im gesamten Werk des Aristoteles. (3) nennt das dramatisch-darstellende Element. (1) nennt (neben oben schon genannten Aspekten) die (später sogenannte) Einheit der Handlung. Die Einheit des Ortes und der Zeit wurde in der Renaissance der aristotelischen Tragödientheorie zugeschrieben, er vertrat sie aber selbst so nicht. (2) bezieht sich darauf, dass die Sprache der Tragödie Melodie und Rhythmus aufweist. Die weitaus meiste Aufmerksamkeit hat (4) erhalten, insbesondere (4b).

Emotionserregung und Katharsis

In (4) beschreibt Aristoteles die Funktion der Tragödie, das was sie leisten soll. Weitgehend unumstritten ist nur (4a): Beim Zuschauer sollen durch die dargestellte Handlung die Emotionen Mitleid und Furcht erregt werden. Unklar ist allerdings, ob eleos und phobos tatsächlich mit „Mitleid“ und „Furcht“ oder mit „Elementareffekten“ „Jammer“ und „Schauder“ wiederzugeben sind.[48] Dass die Handlung selbst und nicht die Aufführung die entscheidende Rolle bei der Emotionserregung spielt, ist daraus ersichtlich, dass Aristoteles auch die gelesene Tragödie durch seine Theorie berücksichtigt sieht. Mitleid wird erregt, wenn die Protagonisten unverdient Unglück erleiden, Furcht, wenn sie dabei dem Zuschauer (oder Leser) ähnlich sind.

(4b) ist höchst kontrovers, da die Funktionsweise nicht weiter erläutert ist. Das Wort Katharsis, das als Metapher (wie „Reinigung“ im Deutschen) einen Sinnüberschuss aufweist, hat zu den verschiedensten Deutungen Anlass gegeben, insbesondere weil es schon vor Aristoteles verwendet wurde, nämlich unter anderem in der Medizin (Reinigung durch Brech- und Abführmittel) und in religiösen Kulten (Reinigung von unreinen Personen durch religiöse Praktiken). Die grammatikalische Konstruktion Reinigung der Emotionen lässt dabei verschiedene Deutungen zu, worin die Reinigung besteht. Vermutlich sollen die Emotionen selbst (durch eine Emotionserregung) gereinigt werden; die Aussage ist aber auch als Reinigung von den Emotionen verstanden worden.

Der normativ-deskriptive Charakter der Tragödientheorie

Aristoteles’ Tragödientheorie weist zwei Typen von Aussagen auf. Zum einen untersucht er die Grundlagen der Dichtung, unterscheidet verschiedene Arten von ihr und nennt Teile einer Tragödie und deren Funktionsweise. Zum anderen spricht er aber auch davon, was eine gute Tragödie ist und was der Dichter entsprechend machen soll. So äußert er etwa, dass in einer guten Tragödie ein Protagonist weder aufgrund seines guten noch seines schlechten Charakters vom Glück ins Unglück gerät, sondern aufgrund eines Fehlers (Hamartie), beispielsweise wie Ödipus aufgrund von Unwissenheit. Nur eine schlechte Tragödie würde zeigen, wie ein guter Charakter vom Glück ins Unglück oder ein schlechter vom Unglück ins Glück gerät. Der Grund hierfür ist die Funktion der Tragödie, das Bewirken von Mitleid und Furcht. In schlechten Tragödien würden Mitleid und Furcht nicht erregt werden, in guten ist dies aufgrund der Beschaffenheit des Protagonisten und des Fehlers als Ursache des Unglücks der Fall (Poet. 13, 1452b28–1453a12)."

Bemerkenswert scheint mir auch, dass Aristoteles sich in der Poetk auch auf grammatische Fragen einlässt. Dies ist ein Umstand, den die Wikipedia übergeht.

"20. Die gesamte Diction zerfällt in folgende Bestandteile: das Sprachelement, die Silbe, das Bindewort, das Gliedwort, das Nennwort, das Aussagewort, die Flexion, das Wortgefüge. Das Sprachelement ist ein unzerlegbarer Laut, jedoch nicht jeder solche, sondern jener, der in einen Lautcomplex eingehen kann; haben doch auch die Tiere unzerlegbare Laute, von welchen ich jedoch keinen ein Sprachelement nenne. Dieses besteht aus Selbstlautern, Halblautern und Stummlautern. Ein Selbstlauter ist jenes Sprachelement, welches ohne Anlegen der Zunge einen hörbaren Ton besitzt; der Halblauter jenes, das mit Anlegen der Zunge einen hörbaren Ton besitzt, wie das S und das R; ein Stummlauter endlich jenes, das mit Anlegen der Zunge für sich zwar keinen Ton besitzt, wohl aber hörbar wird, wenn es mit solchen, die einen Ton besitzen, verbunden wird, wie das G und das D. Die Unterschiede beruhen hier auf Stellungen und Orten des Mundes, auf Stärke und Schwäche des Hauches, auf Länge und Kürze, endlich auf Höhe, Tiefe und der Mittellage des Tones; die Detailbehandlung dieser Dinge gehört jedoch der Metrik an. Eine Silbe ist ein unbedeutsames. Lautgebilde, das aus einem Stummlauter und einem laut- besitzenden Elemente zusammengesetzt ist; denn auch das GR ohne das A ist eine Silbe nicht minder als mit dem A, als GRA. Aber die Erörterung auch dieser Unterschiede fällt der Metrik anheim.

Ein Bindewort ist ein unbedeutsames Lautgebilde, welches die Verschmelzung mehrerer Lautgebilde zu einem bedeutsamen weder hindert noch bewirkt und ebensowohl an den Grenzpunkten als in der Mitte zu stehen geeignet ist, — ferner ein solches, das aus mehreren bedeutsamen Lautgebilden ein gleichfalls bedeutsames zu machen geeignet und das nicht an der Spitze der Rede zu stehen fähig ist, wie (es folgen unübersetzbare Beispiele von Partikeln). Ein Gliedwort aber ist ein unbedeutsames Lautgebilde, welches Anfang, Ende oder eine Sonderung der Rede bezeichnet * wıe das um, über u. dgl. m.!

Ein Nennwort (Nomen) ist ein zusammengesetztes bedeutsames, keine Zeitbestimmung enthaltendes Lautgebilde, das keinen für sich bedeutsamen Teil enthält; denn bei den Doppelworten bedienen wir uns der Teile nicht als für sich selbst bedeutender, wie z. B. im Namen Gottlieb das lieb nichts bedeutet. Ein Aussagewort (Verbum) ist ein zusammengesetztes bedeutsames, eine Zeitbestimmung enthaltendes Lautgebilde, welches gleich den Nennworten keinen etwas für sich bedeutenden Teil besitzt. Denn das Wort „Mensch“ oder „Weißes“ bedeutet nicht das Wann, die Worte „geht“ oder „ging“ bezeichnen nebst anderem auch das eine die gegenwärtige, das andere die vergangene Zeit. Eine Flexion eines Nenn- oder Aussagewortes ist teils eine das. „dessen“ oder „dem“ und was dergleichen mehr ist, bedeutende, teils eine das „eine“ oder „viele“ besagende wie „Mensch“ oder „Menschen“, endlich eine die verschiedenen Vortragsweisen wie Frage. und Befehl bezeichnende, wonach z. B. „ging (er)?“ oder „geh!“ Flexionsformen des Verbums nach diesen Gesichtspunkten sind. Ein Redegefüge ist ein zusammengesetztes bedeutsames Lautgebilde, das mindestens einige durch sich selbst bedeutsame Teile besitzt. Denn nicht jedes Redegefüge besteht ganz und gar aus Nenn- und Aus- sageworten, wie etwa die Definition des Menschen! (kann ein solches doch sogar der Aussageworte entrathen); irgend ein selbstbedeutsamer Bestandteil wird aber immer vorhanden sein, wie z. B. in den Sätzen: „in dem Gehen“, „Kleon der Kleonide“. Einheitlich endlich ist ein Wortgefüge in zwiefachem Sinne: entweder nämlich, weil es ein Einheitliches bedeutet, oder weil mehreres in ihm enthalten, aber zu einer Einheit verbunden ist. Im letzteren Sinne ist die Iliade, im ersteren die Definition des Menschen ein einheitliches Wortgefüge. 

21. Die Arten des Nennwortes sind die folgenden: das einfache, worunter ich dasjenige verstehe, das aus unbedeutsamen Elementen besteht wie das Wort ‚‚Erde“; dann das Doppelwort, das wieder in zwei Unterarten zerfällt, je nachdem es aus einem bedeutsamen (nur freilich nicht mehr in der Zusammensetzung bedeutsamen) und einem unbedeutsamen Elemente, oder hin- gegen nur aus bedeutsamen Elementen zusammengesetzt ist  Es kann auch ein drei- oder vierfach, ja ein vielfach zusammengesetztes Nennwort geben, wie jene massaliotischen Namen, z. B. in dem Verse: „Hermokaikoxanthos zu Zeus die Hände erhebend“. Jedes Nennwort ist entweder ein Alltags- oder ein Fremdwort oder eine Metapher oder ein Schmuckwort oder eine Neubildung oder ein solches, das eine Erweiterung, Verkürzung oder Umänderung erfahren hat. Ich verstehe unter dem Alltagswort ein solches, dessen sich jedermann im betreffenden Lande bedient; unter dem Fremdwort eines, dessen sich Andere bedienen; so daß augenscheinlich dasselbe Wort ein Fremd- und ein Alltagswort sein kann, nur freilich nicht für dieselben Personen. So ist z. B. („Port“‘ für die Franzosen ein Alltags-, für uns ein dichterisches Fremdwort).

Die Metapher ist die Übertragung eines Ausdrucks auf ein ihm fremdes Gebiet, und zwar entweder von der Gattung auf eine Art oder von der Art auf die Gattung oder von einer Art auf eine andere oder endlich auf Grund einer Proportion. Ein Beispiel des. ersten ist der Versteil: „dort ruhet das Schiff mir“; ! denn das Vor-Anker-Liegen ist eine Art des Ruhens. Eine Übertragung der zweiten Art ist jenes: „Tausendfaches bereits hat er und Gutes vollendet“; [...] bisweilen fügt man der Metapher noch das hinzu, zu dem das durch sie Ersetzte in einem Verhältnisse steht. Ein Beispiel: die Trinkschale steht zu Dionysos in einem ähnlichen Verhältnisse wie der Schild zu Ares. Da wird denn der Dichter die Trinkschale den Schild des Dionysos und den Schild die Trinkschale des Ares nennen. Ein anderes Beispiel: was das Alter in Betreff des Lebens, das ist der Abend in Betreff des Tages; da wird man denn den Abend das Alter des Tages nennen (oder mit etwas verändertem Ausdrucke, wie dies EMPEDOKLES gethan hat) und desgleichen das Alter den Abend oder den Niedergang des Lebens. [...]"(einer Art auf eine andere enthält das folgende: „weg schöpft mit dem Erz er das Leben“ und wieder: „ab schnitt er das Naß mit dauerndem Erze“;! denn hier wird einmal das Schneiden ein Schöpfen, das andere mal das Schöpfen ein Schneiden genannt; ist doch beides eine Art des Wegnehmens. Die Proportion aber verstehe ich derart, daß das zweite sich zum ersten verhält wie das vierte zum dritten. Dann kann man statt des zweiten das vierte, oder statt des vierten das zweite setzen; und bisweilen fügt man der Metapher noch das hinzu, zu dem das durch sie Ersetzte in einem Verhältnisse steht. Ein Beispiel: die Trinkschale steht zu Dionysos in einem ähnlichen Verhältnisse wie der Schild zu Ares. Da wird denn der Dichter die Trinkschale den Schild des Dionysos und den Schild die Trinkschale des Ares nennen. Ein anderes Bei- spiel: was das Alter in Betreff des Lebens, das ist der Abend in Betreff des Tages; da wird man denn den Abend das Alter des Tages nennen (oder mit etwas verändertem Ausdrucke, wie dies EMPEDOKLES gethan hat) und desgleichen das Alter den Abend oder den Nieder- gang des Lebens. [...] "

https://archive.org/details/aristotelespoet01berggoog/page/42/mode/2up



















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