Erkenntnistheorie: 3 Thesen von Gorgias

 Erstveröffentlichung am 5.1.2021 in apanat. Dort finden sich auch 2 Kommentare

Es ist sinnvoll, sich die Frage zu stellen, ob wir uns alle nur einbilden, dass es eine Wirklichkeit außerhalb uns gäbe. (Die erste These von Gorgias ist: Es gibt nichts)

Das Beispiel des Coronavirus zeigt, dass etwas auf uns einwirkt, auch wenn wir nicht glauben, dass es das gibt. Andererseits haben auch Lügen immer wieder große Wirkungen gehabt. Da wird etwas behauptet, das nicht stimmt, und schon hat so etwas, was nicht stimmt, große Auswirkungen: Das schrecklichste Beispiel dafür ist der Antisemitismus: „Die Juden sind unser Unglück. Sie wollen die Weltherrschaft übernehmen.“ Das diente als „Rechtfertigung“ dafür, Millionen von ihnen zu töten. Außerdem half es dazu, seinerseits die Weltherrschaftspläne Hitlers zu „rechtfertigen“. Das heißt: Eine Lüge (und viele andere) hat dazu geführt, dass im 2. Weltkrieg über 50 Millionen Menschen umgekommen sind.

Trotzdem: Die falsche Behauptung des Gorgias hat dazu geführt, dass eine der wichtigsten Schriften von Plato entstanden ist: https://de.wikipedia.org/wiki/Gorgias_(Platon): Dazu die Wikipedia: „Das Thema ist zunächst die Frage, worin der Sinn und Zweck der von Gorgias meisterhaft praktizierten Redekunst besteht. Es stellt sich heraus, dass sie darauf abzielt, die Zuhörer durch Schmeichelei zu überreden. Sie soll dem Redner in juristischen oder politischen Auseinandersetzungen den Sieg verschaffen. Damit soll sie für ihn, wie er glaubt, etwas Gutes bewirken. Sokrates bestreitet aber, dass die Rhetorik diese Erwartung erfüllen kann; er meint, der Redner bilde sich das nur ein. Um dies zu prüfen, muss man klären, worin eigentlich das Gute und Wünschenswerte besteht. Damit wendet sich die Diskussion ihrem Hauptthema zu, der Frage nach der richtigen Lebensweise.“

Jetzt zur 2. These von Gorgias: „wenn es etwas gäbe, könnte es doch nicht erkannt werden“ Dieser Gedanke (verbunden mit vielen anderen) hat nach Platon einen zweiten großen Philosophen, nämlich Kant, wiederum zu einer seiner wichtigsten Schriften geführt, zur Kritik der reinen Vernunft. Darin hat er erläutert, was man (seiner Meinung nach) erkennen kann und was nicht. Und zwar kann man danach auch etwas erkennen, was man nie wahrgenommen hat. Seine Kurzformel dafür: A priori.

Nun zur 3. These von Gorgias: „wenn es [die Realität] erkannt werden könnte, könnte es doch nicht mitgeteilt/verständlich gemacht werden“

Kant ist zu der Überzeugung gekommen, dass es (ich vereinfache) Denknotwendigkeiten für den Menschen gibt, die ihn daran hindern, die Welt so zu sehen wie etwa eine Biene. Das heißt: Unsere Realität ist nicht die einzige, sondern sie ist wesentlich durch unseren Verstand geprägt. Damit ist er zu dem Schluss gekommen, dass wir das, was unserer Realität zugrunde liegt, nicht erkennen können. [Das hat er das „Ding an sich“ genannt.] Unabhängig davon, ob seine Überlegung richtig ist, hat er damit gezeigt, dass man auch über etwas, was man nicht erkennen kann, verständlich schreiben kann. Es ist freilich nicht leicht zu verstehen. Ob es für dich verständlich ist, kannst du an diesem Wikipediaartikel ausprobieren: Ding an sich.

Die Absicht, die Gorgias mit seinen falschen Behauptungen verfolgt hat, war die; sich Vorteile zu verschaffen. Diese Behauptungen zu widerlegen, hat Jahrhunderte gedauert. 

Freilich, etwas, was damals niemand von der gesamten Menschheit für wirklich gehalten hat, der menschengemachte Klimawandel, hat schon seit über 200 Jahren stattgefunden (genau genommen noch länger), und er wird sich vor allem dann fortsetzen, wenn wir annehmen, dass es ihn nicht gibt. Doch das ist ein anderes Kapitel.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Sinn, Auftrag, Mission am Beispiel des alttestamentlichen Gottesvolks und des heutigen Israel

Universum ohne Moral

Petrusakten