Petrus Abaelardus Aufklärer, Liebhaber und Opfer

 Peter Abailard 

"[...] Abaelard vertrat viele Jahrhunderte vor der Aufklärung den Vorrang der Vernunft nicht nur in der Philosophie, sondern auch in Glaubensfragen. Durch diese und andere kontroverse Lehren, aber auch wegen der Liebesaffäre mit seiner Schülerin Heloisa geriet er in zahlreiche Konflikte. Neben deren umfangreichem Briefwechsel sind seine theologischen Dispute unter anderem mit Bernhard von Clairvaux interessant. [...]

. Im Jahr 1113 studierte Abaelard Theologie bei Anselm von Laon, den er bald ebenso herausforderte und mit eigenen Vorlesungen an Beliebtheit übertraf. Anselm untersagte ihm die weitere Lehre, 1114 konnte Abaelard jedoch in Paris Logik und Theologie unterrichten.

Dort wurde er Hauslehrer von Heloisa, einer begabten jungen Frau, zu der er bald eine Liebesbeziehung aufbaute. Ihr Onkel und Beschützer, der Kanoniker Fulbert, bemerkte die Beziehung erst, als Heloisa bereits schwanger war. Sie flüchtete auf Geheiß Abaelards zu dessen Familie nach Le Pallet, wo sie einen Sohn zur Welt brachte, der den Namen Astralabius erhielt. Abaelard bemühte sich inzwischen um einen Ausgleich mit Fulbert: Obwohl Heloisa mit Blick auf Abaelards Reputation als Gelehrter entschieden dagegen war, wollte Abaelard sich mit ihr vermählen, vorausgesetzt, die Ehe würde geheim bleiben. Fulbert willigte ein, setzte jedoch Heloisa, die von Abaelard nicht lassen wollte, zunehmend unter Druck. Heloisa wurde darauf auf Anordnung Abaelards Nonne im Kloster Argenteuil. Fulbert betrachtete dies als Versuch Abaelards, sich seiner Verpflichtung zur Eheschließung zu entziehen. Zutiefst gekränkt und voller Zorn, ließ Fulbert Abaelard überfallen und entmannen

Laufbahn als Mönch

Gedemütigt trat Abaelard alsbald als Mönch in die Abtei Saint-Denis ein. Er trug sich mit dem Gedanken, an den Heiligen Stuhl zu appellieren, doch sein Landsmann Fulko, Prior von Deuil, riet ihm dringend davon ab. Abaelards Ruf war nach wie vor groß und er konnte nach kurzem wieder Vorlesungen halten. Dies brachte ihm jedoch die Feindschaft seiner Mitbrüder ein und führte auch zu Anfeindungen anderer Gegner, was schließlich auf dem Konzil von Soissons im Jahr 1121 dazu führte, dass Abaelard seine Schrift Theologia Summi Boni eigenhändig verbrennen musste.

Durch einen Streit um die Identität des Klosterpatrons von Saint-Denis machte er sich auch dort Feinde. Er begab sich nun in die trockene Champagne und gründete südlich von Nogent-sur-Seine, am Flüsschen Ardusson, eine Einsiedelei mit einem Oratorium, welches er dem Paraklet, d. h. dem „Tröster“, dem Heiligen Geist, weihte. Dorthin folgten ihm alsbald viele Studenten, um sich weiter von ihm unterrichten zu lassen.

Um sich den Anfeindungen und wohl auch dem Krieg in der Champagne zu entziehen, ließ sich Abaelard um 1127 zum Abt des abgelegenen Klosters Saint-Gildas-en-Rhuys in der Bretagne wählen. Die Umstände dieser Wahl sind ungeklärt. Die Nonnen von Argenteuil unter Heloisa, die inzwischen Priorin geworden war, wurden zur selben Zeit von Abt Suger von Saint-Denis aus ihrem Kloster vertrieben. Abaelard schenkte ihnen das Paraklet-Kloster und betreute sie in der Folge geistlich, indem er für sie Hymnen, Predigten und eine Ordensregel verfasste. Seine Versuche, in Saint-Gildas die dem Kloster angemessene Ordnung durchzusetzen, brachten die dortigen Mönche gegen ihn auf und führten zu mehreren Attentaten auf ihn. [...]

Abaelards neue Methode

Ein wichtiger Schritt zur Auflösung dogmatischer Starrheit in kirchlichen Lehren war Abaelards Schrift Sic et non („Ja und Nein“).

Hier listete er in 158 Abschnitten Widersprüche in den Texten der Kirchenväter (insbesondere Augustinus) sowie in den Texten der Bibel auf, die nur mit Hilfe der Interpretation gelöst werden könnten. Damit wandte er sich gegen die starre Bindung an die Texte der anerkannten Autoritäten, weil erst durch deren Einordnung das argumentative Potenzial des Ausgesagten richtig erfasst werden könne. „Indem wir nämlich zweifeln, gelangen wir zur Untersuchung und durch diese erfassen wir die Wahrheit.“ (Prolog). Dabei forderte Abaelard insbesondere zur textkritischen Analyse auf. Durch seinen systematischen hermeneutischen Ansatz hat er mit dieser Schrift wesentlich zur Entwicklung der scholastischen Methode beigetragen. Der Ausleger der Texte war für Abaelard nicht mehr das „letzte, schwächste Glied der Überlieferungskette“, er sollte sich vielmehr in eigener Verantwortung an einer rationalen Auflösung der unleugbaren Widersprüche versuchen, die Aussagen der Autoritäten selbstständig aussuchen und die Objektivität nicht mehr als „Besitz des die Wahrheit verwaltenden Klerus“ ansehen, sondern als dauernde Aufgabe.[5]

[...]

In Dialogus inter Philosophum, Iudaeum et Christianum lässt Abaelard einen Philosophen, einen Juden und einen Christen miteinander über Fragen der Metaphysik und Theologie diskutieren. Abaelard geht von einem Kern der Vernunft aus, der allen Völkern und monotheistischen Religionen (JudentumChristentum und Islam) gemeinsam sei. Dabei zeige sich, dass in jeder Lehre Wahrheit zu finden sei und es darauf ankommt, diese Wahrheit zu finden; denn alle Wahrheit ist auf göttliche Weisheit zurückzuführen. Damit eröffnete Abaelard den Dialog der Religionen, auch wenn er sicherlich vor Augen hatte, auf diese Weise sowohl heidnische Philosophen als auch Juden durch die christliche Wahrheit zu bekehren. [...]


Briefwechsel von Abälard und Hélouise (Internetarchiv)

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